18. März 2013

Politisch brisant...

Politisch brisant Sieben Jahre lang haben die europäischen Notenbanken penibel recherchiert, wie privates Vermögen in den 17 Euroländern verteilt ist. Das ambitionierte Ziel des Projekts war, eine sachliche Grundlage für die politische Verteilungsdebatte zu schaffen. Seit Oktober liegen die Ergebnisse des Household Finance and Consumption Survey des Eurosystems nun bei den Notenbanken. Der Öffentlichkeit will man die Fakten aber nun doch nicht zumuten.

Laut Nationalbank ist die Ungleichverteilung von Vermögen zwar ausgeprägt, mit konkreten Zahlen aber hielt man sich bei der offiziellen Präsentation der Daten tunlichst zurück. Kritische Nachfragen aus dem Publikum wurden mit einem, das Offensichtliche entschuldigende, Lächeln abgetan und so wurde beim anschließenden Buffet gemeinsam über die politische Brisanz der fehlenden Seiten 12-19 in der Präsentationsmappe gewitzelt. Am Ende blieb nicht mehr als das unausgesprochene Einverständnis derer zurück, die wissen, was sie nicht sagen dürfen: die ungeschminkte Wahrheit. Sie ist politisch zu brisant.

In Deutschland sieht es nicht anders aus. Die Aussage der Bundesbank, dass die "Privatvermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind", hatte zu einem halben Jahr andauernder, politischer Umformulierungen und Wahrheitsentschärfungen geführt. Nur hinter vorgehaltener Hand wurde gesagt warum: die Ergebnisse sind politisch zu brisant. In der Endversion des Armutsberichts war dieser Satz dann nicht mehr zu finden. Wovor wollen uns die Politiker und Politikerinnen hier eigentlich schützen? Dass wir bestätigt bekommen, was wir schon alle wissen? Ja, Vermögen sind sehr ungleich verteilt. In Österreich besitzen 5 Prozent der Haushalte fast die Hälfte des Gesamtvermögens; die gesamte untere Hälfte hingegen zusammen nur 4 Prozent. Dass das wirklich reichste Prozent der Haushalte in der Studie nicht einmal berücksichtigt werden konnte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Konzentriertes Vermögen produziert ungleiche Machtverhältnisse und schwächt das politische Gewicht der Nicht-Vermögenden. Natürlich spüren wir das: in Form von sinkenden Reallöhnen, bei der Zerstörung der staatlichen Pensionsvorsorge oder bei der Bevorzugung von Bankenrettungspaketen gegenüber Investitionen in Bildung und Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen sowie erneuerbarer Energien. Um diese Ungerechtigkeit zu erkennen, braucht es keine Studie einer Nationalbank. Da wir die Folgen der ungleichen Verteilung ohnehin spüren, ist es uns sowohl zuzumuten als auch unser Recht, etwas über ihre Ursachen zu erfahren. Die Studie bestätigt einen Missstand, der politisches Handeln verlangt.

Die Transparenz und Sachlichkeit der Daten verlangt sowohl von Liberalen als auch von den vormals sozialdemokratischen und grünen Parteien, Verantwortung für ihr Tun bzw. Nichtstun zu übernehmen. Genau darin liegt die politische Brisanz. Da helfen kein Verleugnen und auch kein Schönreden. Auf lange Sicht hängen gesellschaftlicher Zusammenhalt und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von der Lösung der Verteilungsfrage ab. Verteilungsgerechtigkeit ist nicht alles, aber ohne Verteilungsgerechtigkeit wird alles nichts. 


Autor
Fayad Mulla von der neuen politischen Bewegung "der Wandel" ist Autor des Textes.


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